Wirtschaftsforschung: Empirische Wirtschaftsforschung

Wirtschaftsforschung: Empirische Wirtschaftsforschung
Wirtschaftsforschung: Empirische Wirtschaftsforschung
 
Theorien sind Gedankenkonstrukte, deren Aussagegehalt empirisch überprüft werden muss, um über die Richtigkeit der Aussagen eine Entscheidung treffen zu können. Während in den Naturwissenschaften häufig Experimente zur Überprüfung von Theorien herangezogen werden, steht dieses Verfahren in den Wirtschaftswissenschaften nur in einem sehr begrenzten Maße zur Verfügung. Deshalb wird hier im Allgemeinen auf die vergangene Entwicklung geschaut, um festzustellen, ob die Daten mit den theoretischen Aussagen verträglich sind oder nicht.
 
 Viele konkurrierende Theorien in der Volkswirtschaftslehre
 
Da die Volkswirtschaftslehre eine Wissenschaft ist, die das Verhalten der Menschen zum Gegenstand hat, gibt es für verschiedene Sachverhalte im Allgemeinen mehrere Erklärungen bzw. Theorien. Die Aufgabe der empirischen Wirtschaftsforschung besteht zum einen darin, zwischen den konkurrierenden Theorien zu unterscheiden, indem der Aussagegehalt der verschiedenen Theorien anhand von Daten überprüft wird. Andererseits dient die empirische Wirtschaftsforschung auch dazu, beobachtete Sachverhalte zu erfassen, aus denen dann später Theorien werden. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Entwicklung der Phillips-Kurve, bei der eine empirische Beobachtung eine theoretische Modellierung angestoßen hat.
 
 Aussagegehalt von Theorien und ihre empirische Überprüfung
 
Theorien sind Aussagen, die ohne zeitliche und räumliche Einschränkung für das formulierte Problem gelten. Demgegenüber sind die Ergebnisse empirischer Überprüfungen grundsätzlich bezüglich des Raums und der Zeit beschränkt. Behauptet beispielsweise eine Theorie, dass der private Verbrauch vom verfügbaren Einkommen abhängt (Allaussage), dann kann eine empirische Überprüfung für Deutschland (Raum) für den Zeitraum von 1960 bis 1998 (Zeitbezug) durchaus zu einer Annahme dieser Aussage führen. Da dieser Befund aber einen räumlich und zeitlich begrenzten Aussagegehalt besitzt, folgt daraus nicht notwendig der Schluss, dass die Theorie wahr (verifiziert) ist. Aufgrund dieser Schwierigkeiten hat es sich mehr und mehr eingebürgert, weniger auf die Falsifikation einer Theorie abzustellen, als vielmehr empirische Ergebnisse vorzustellen, die theoretische Aussagen stützen.
 
 Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung
 
Grundlage der empirischen Wirtschaftsforschung sind die Verfahren der Statistik und der Ökonometrie. Letztere sind spezielle Verfahren, die für die Anwendung auf ökonomische Probleme entwickelt wurden. Da die Theorie keine numerischen Werte für die Parameter einer Verhaltensgleichung liefert, sind statistische Verfahren erforderlich, die aus den vorhandenen Daten Schätzungen für diese Werte liefern. Ein weit verbreiteter Ansatz ist das Verfahren der kleinsten Quadrate, mit dem unbekannte Koeffizienten einer Verhaltensgleichung geschätzt werden können. Dieses Verfahren beinhaltet im einfachsten Fall die Festlegung einer Geraden durch eine Punktwolke. Die Gerade wird so gewählt, dass die Summe der zum Quadrat genommenen Entfernungen der Punkte zur Gerade minimiert wird. Diese Schätzergebnisse werden dann verschiedenen Testverfahren unterzogen, die über die statistische Bedeutung der Schätzung Auskünfte liefern. Der überwiegende Teil der empirischen Wirtschaftsforschung basiert auf Schätzungen von Verhaltensgleichungen, die entweder im Querschnitt, d. h. für einen gegebenen Zeitpunkt für verschiedene Objekte, oder über die zeitliche Entwicklung für ein Objekt durchgeführt werden. Querschnittsanalysen haben im Allgemeinen Eigenschaften von einzelnen Unternehmen oder Haushalten zum Gegenstand und sind vornehmlich mikroökonomisch orientiert. Demgegenüber beziehen sich die Zeitreihenverfahren auf aggregierte Größen und haben makroökonomische Themen als Inhalt. Eine Kombination von Querschnitts- und Zeitreihendaten bezeichnet man als als Panel. Dieser relative neue Ansatz in der empirischen Wirtschaftsforschung hat den Vorteil, dass neben einer Vielzahl von Einzelinformationen zusätzlich der Zeitaspekt berücksichtigt wird. Ein dritter Ansatz modelliert eine Volkswirtschaft über einen allgemeinen Gleichgewichtsansatz. Die Parameter dieser Modelle werden überwiegend aus anderen Studien übernommen, aus Input-Output-Tabellen ermittelt oder nach plausiblen Überlegungen gesetzt. Über eine Festlegung der einzelnen Werte wird dann ein allgemeines Gleichgewichtsmodell formuliert, welches zu Schätzungen und Simulationen verwendet wird. Schließlich sind die Input-Output-Tabellen zu erwähnen, die Aufschluss über die Verflechtungsstrukturen einer Volkswirtschaft geben und in mehrjährigen Abständen erstellt werden. Neben einer Überprüfung theoretischer Aussagen dienen die Modelle zur Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung oder zu Abschätzungen alternativer Politikmaßnahmen, was über Simulationen geschehen kann. Typische Beispiele für Simulationen sind die Auswirkungen von Maßnahmen im Umweltbereich.

Universal-Lexikon. 2012.

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